Die Grazer Blackshark.ai erstellt digitale Zwillinge der Erde so schnell und so detailliert wie kein anderer Anbieter: Ihre Anwendung SYNTH3D rendert aus aktuellen Satellitendaten das virtuelle 3D-Modell jedes beliebigen Gebiets auf der Erde. Eine FFG-Förderung erleichterte es dem erfolgreichen Start-up, US-Branchengrößen als Partner zu gewinnen.
Die Wände sind edel grau gestrichen, die Räume groß und luftig, es herrscht Loft-Atmosphäre. Das Grazer Start-up Blackshark.ai residiert in einem Gründerzeitbau in der Grazer Innenstadt. Draußen bimmeln die Straßenbahnen, zum Hauptplatz sind es drei Minuten zu Fuß. An die 100 Leute arbeiten normalerweise im Büro, erzählt Forschungsmanager Thomas Menzel-Berger bei einer kurzen Büroführung, doch an diesem Tag fehlen das Marketingteam und Firmengründer Michael Putz. Sie seien auf einer Konferenz in den USA. Das wiederum überrascht nicht, denn Blackshark.ai zählt laut „Brutkasten“ zu den vielversprechendsten IT-Start-ups von Europa. Das Unternehmen beherrscht eine Technologie, die begehrter ist als je zu vor: die Generierung und Simulation von photorealistischen Welten auf Basis von Machine Learning.
SYNTH3DTM reichert Satellitendaten mit semantischen Informationen an und generiert daraus ein 3D-Abbild des Planeten. Bild: Blackshark.ai
Am Anfang, um 2010 herum, stand ein Computerspiel für Snowboarder, programmiert in Graz von TU-Absolventen, die ihre Firma „Bongfish“ nannten. Das Spiel, „Stoked“, war kommerziell kein herausragender Erfolg, aber technisch so innovativ, dass Microsoft auf die Grazer Programmierer aufmerksam wurde. Denn in „Stoked“ wurde die Map – die Spiele-Landschaft mit den Snowboard-Abfahrten – realistisch simuliert, ohne dass die Performance darunter litt. Mit dieser technischen Leistung hatte man das Interesse des US-Giganten geweckt. Für seinen „Flight Simulator“, den beliebtesten Flugzeugsimulator für PCs, gab Microsoft 2017 in Graz den Auftrag, die gesamte Erde in einer 3D-Version zu rendern. „Der erste Schritt war es, die rund 1,5 Milliarden Gebäude und mehr als 30 Millionen Quadratkilometer Vegetation aus Satellitenbildern zu detektieren und dann aus diesen vektorisierten Ergebnissen notwendige Rekonstruktionsparameter für die 3D-Darstellung zu machen“, erklärt Thomas Menzel-Berger. „Das ist für den Microsoft-Flugsimulator das erste Mal in globaler Dimension gelungen.“
Visualisierung für „Flight Simulator“ offenbarte Potenzial
Aus Satellitenbildern, Luft- und Straßenaufnahmen entwickelten die damals rund 20 Mitarbeiter von Bongfish in zwei Jahren Arbeit jene selbstlernenden Algorithmen, mit denen ein digitaler Zwilling der Erde erstmals als Ganzes und in überschaubarer Zeit von nur 72 Stunden photorealistisch simuliert werden konnte. In diesem Projekt offenbarte sich das große Potenzial des in Graz entwickelten Verfahrens, und so erfolgte 2020 die Ausgründung von Blackshark.ai.
Das Spin-off verschrieb sich vollends der KI-Visualisierung von Geodaten. „Die Lösung, die wir im Rahmen des ‚Flight Simulator‘-Projekts für die Rekonstruktion der Erdoberfläche bzw. der Siedlungen entwickelt haben, haben wir uns in den USA als Patent registrieren lassen“, sagt Forschungsmanager Thomas Menzel-Berger. „Mittlerweile haben wir uns um mehreren Patenten ein ganzes Portfolio an Lösungen aufgebaut.“
Vielfältige Anwendungsmöglichkeiten
Unter dem Namen SYNTH3DTM bietet Blackshark.ai photorealistische Simulationen und Visualisierungen von beliebigen Orten der Erde an. Die gewählten Gebiete bauen sich online in wenigen Augenblicken auf den Bildschirmen auf, berücksichtigen Gebäudehöhen sowie wählbare Licht- und Wettersituationen und können auch offline gespeichert werden. Sie lassen sich zum Beispiel von Flugzeugherstellern nutzen, wenn Piloten auf neue Flugzeugmodelle angelernt werden sollen und dazu digitale Zwillinge von Flughäfen benötigt werden. Oder von Energieunternehmen, um geplante Windparks rasch und realistisch zu visualisieren, und von Entwicklern autonomer Fahrzeuge, um Verkehrsbedingungen möglichst wirklichkeitsgetreu zu simulieren. „Wir sind mit dem, was wir machen, am Puls der Zeit“, sagt Thomas Menzel-Berger. „Letztes Jahr hieß das Thema noch Metaverse, heuer lautet das Schlagwort ‚Generative AI‘. Wir können aber auch in Richtung dessen, was die EU unterstützt, z. B. AI for Green, die Innovation noch weitertreiben.“ – So arbeitet man aktuell gemeinsam mit der Forschungsgesellschaft Joanneum Research am ASAP-Projekt AI4LULC, bei dem aus Copernicus- und Sentinel-Satellitendaten Landnutzungsmodelle für urbane Räume errechnet werden.
Schneeballeffekt dank FFG-Förderung
Für die Simulation des Planeten kann Blackshark.ai seit einiger Zeit auf die Satellitendaten des führenden US-Anbieters Maxar Technologies zurückgreifen. Blackshark.ai‘s Lösung wandelt aktuelle, zweidimensionalen Satellitenbilder in SYNTH3D, die dreidimensionale 3D-Replica der Erde um. Maxar ist, genauso wie die Microsoft-Tochter M12, Nvidia, Epic Games und weitere amerikanische Top-Unternehmen am IT-Sektor, Investor und Partner beim Grazer Start-up. Obwohl Blackshark.ai mit Größen aus dem Silicon Valley kooperiert, wäre das Start-up ohne FFG-Förderung nicht so schnell gewachsen, meint Forschungsmanager Thomas Menzel-Berger: „Ohne die Zuschüsse und das Darlehen aus dem FFG-Basisprogramm, die dank der FFG-Bundesländerkooperation mit der Steiermark noch einmal gehebelt wurden, wäre die Skalierung aus der Game-Branche raus sicher nicht in diesem Umfang möglich gewesen. Für die Investoren war es attraktiv, dass wir durch die Förderungen das Team sehr schnell wachsen lassen konnten“, sagt Menzel-Berger. „Die FFG-Förderung hat im positiven Sinne einen Schneeballeffekt erzeugt.“