Seit Sommer 2023 steht das Online-Planungstool „natuREbuilt“ für ökologisches Bauen kostenlos für alle Planer:innen, Ausführenden und Bauträger zur Verfügung, die sich für nachhaltiges Bauen interessieren.
„Viele Baufirmen sind unsicher, wenn es um die Verwendung nachhaltiger Materialien geht“, weiß die Bauphysikerin Azra Korjenic, Leiterin des Forschungsbereichs für Ökologische Bautechnologien an der TU Wien. Ins selbe Horn stößt auch Architekt Martin Aichholzer, der u. a. das 2018 eröffnete „Haus des Lernens“ in St. Pölten mit ökologischen Baustoffen geplant hat. „Holz, Lehm, Kalk, Stroh bieten zahlreiche Vorteile: Sie sind regional verfügbar, wiederverwertbar und weitgehend klimaneutral“, sagt der Architekt. „Dennoch führen sie ein Schattendasein, denn es fehlte lange das Fachwissen über Langlebigkeit, Feuchte- und Brandverhalten, Kombinationen, Bauteilfügungen und das bauphysikalische Verhalten.“
Ökologisches Bauen vereinfachen
Ausgehend von einer Initiative von Architekt Aichholzer und der niederösterreichischen Wirtschaftsagentur ecoplus vernetzten sich rund 20 Projektpartner unter der Leitung der TU Wien im COIN-Projekt „natuREbuilt“. Das Projektziel war es, ökologisches Bauen zu vereinfachen, indem man Planer:innen, Baufirmen und Bauträgern wissenschaftlich gesicherte Daten über den Einsatz ökologischer Baustoffe in der Planung und Konstruktion mehrgeschossiger Hochbauten zur Verfügung stellt. Und zwar mit allen relevanten bauphysikalischen Parametern: Wärmedämmwert, Feuchteverhalten, Brandschutz etc. Die Palette der Produkte reicht von Holz bzw. Holzverbindungen für die Baukonstruktion über Dämmstoffe wie Stroh, Zellulose, Schafwolle bis hin zu Lehm, Kies & Co. für den Ausbau.
Im Freiluft-Prüfstand der TU Wien wurden Bauteilverbindungen angefertigt, um die bauphysikalischen Eigenschaften von ökologischen Baustoffen zu untersuchen. Videostill aus dem Projektfilm zu "natuREbuilt", (c) TU Wien
„Es gibt viele Produkte am Markt, die noch nicht zertifiziert sind“, erläutert Azra Korjenic. „Diese wurden von uns einzeln im Labor geprüft, und in unserem Freiluft-Prüfstand haben wir Konstruktionen mit Sensorik versehen, um sie über Monate, teils Jahre hinweg hygrothermisch und bauphysikalisch zu untersuchen.“ Mitunter kam man dabei zu überraschenden Ergebnissen. So fand das Team der TU heraus, dass biobasierte Dämmstoffe – und besonders Schafwolle – in Holzrahmenbauteilen viel besser auf eindringende Feuchtigkeit reagieren als die häufig verwendete Mineralwolle.
Planungstool natuREbuilt seit Sommer 2023 online
Seit Sommer 2023 steht das Online-Planungstool von natuREbuilt für ökologische Baustoffe allen Interessierten kostenlos auf der Projekt-Website zur Verfügung. Es handelt sich dabei um eine Sammlung an Informationen über nachhaltige Baustoffe sowie geprüfte Aufbauten und Bauteilfügungen für den mehrgeschossigen Hochbau bis zur Anwendung in Gebäudeklasse 4 in verschiedenen Formaten. Die beigestellten Konstruktionen sind digitalisiert (BIM-Modelle) und können dadurch in BIM-Anwendungen (Building Information Modeling) direkt genutzt werden.
Hoher Informationsbedarf
Der Bedarf an diesen Informationen ist hoch, wie das Feedback zeigt: „Wir haben bereits etliche Anfragen aus Österreich und auch aus Deutschland bekommen“, sagt Azra Korjenic. Auch Einladungen zu Vorträgen vor Mitarbeiter:innen der Baubehörden der Stadt Wien und Mitgliedern der Bundeskammer der Ziviltechniker:innen zeugen vom regen Interesse am nachhaltigen Bauen. Noch sind es in Österreich vor allem Klein- und Mittelbetriebe, die sich mit ökologischen Baustoffen beschäftigen, aber auch große Bauunternehmen beginnen damit, Nachhaltigkeitsabteilungen einzurichten und sich mit dem Thema zu befassen.
Folgeprojekte in Planung
Die Netzwerkpartner von natuREbuilt führen ihre Zusammenarbeit über das Projektende hinaus fort. Foto: (c) TU Wien
Die Zusammenarbeit der Netzwerkpartner wird über das Projekt hinaus fortgeführt. „Bei ‚natuREbuilt‘ ist eine ideale Gruppe zusammengekommen, die sehr am Thema interessiert ist“, sagt Prof. Korjenic. „Gemeinsam werden wir weitere Projekte einreichen, um weitere Konstruktionen zu entwickeln und weitere Materialien zu untersuchen, die sich auch für andere Anwendungen wie z. B. Feuchträume eignen.“ Dazu ist die Förderung der öffentlichen Hand notwendig. „Ohne FFG-Förderung im Programm COIN wäre die Abwicklung von natuREbuilt in diesem Umfang nicht möglich gewesen“, sagt Azra Korjenic. Insgesamt waren 50 Expertinnen und Experten am Projekt beteiligt – unter anderem aus den Bereichen Bautechnik, Planung, Baustoffproduktion und Baustoffhandel.
Projektpartner und -beteiligte:
- TU Wien, Forschungsbereich für Ökologische Bautechnologien (Leitung)
- Ecoplus. Niederösterreichs Wirtschaftsagentur GmbH
- MAGK Architekten aichholzer | klein ZT-OG
- Architekt Heinz Geza Ambrozy
- DPOM Holzdesign GmbH
- GrAT – Gruppe zur Förderung der Angepassten Technologien
- Vinzenz Harrer GmbH
- Hirschmugl KG
- IBO – Österreichisches Institut für Baubiologie und -ökologie
- inndata Datentechnik GmbH
- Kanzian Communication
- Madame Architects ZT GmbH
- Raiffeisen Lagerhaus Zwettl
- Sonnenklee GmbH
- Strauss-Perlite GmbH
- Strahammer Holzbau GmbH
- der:Treibinger
- Unternehmensberatung Rudolf Exel
- KARDEA GmbH
- Graphisoft Deutschland GmbH
- ALLPLAN technischer Support