Virtual Reality hat gerade auch durch die Corona-Pandemie weiter an Bedeutung gewonnen. Was dabei oft zu kurz kommt, ist der realistische Höreindruck. Diesem sind engagierte ForscherInnen im Marie-Curie-Projekt VRACE unter Koordination der Musikuniversität Wien auf der Spur.
In einem virtuellen Orchester mitspielen oder von zuhause aus in einem Chor mitsingen? Den Klang eines virtuellen Motors beim Hochdrehen kennen, bevor der Motor gebaut ist? Daran wird im Projekt "VRACE – Virtual Reality Audio for Cyber Environments" geforscht. Denn: Virtuelle Realität (Virtual Reality, VR) benötigt neben der überzeugenden visuellen Darstellung einen ebenso authentische Höreindruck. Im Rahmen der "Innovative Training Networks" im Programm Marie Skłodowska-Curie (EU-Forschungsrahmenprogramm "Horizon 2020") werden auch 15 PhD-Studierende ausgebildet, um dem stark wachsenden Bedarf an gut ausgebildeten VR-Audio-ExpertInnen zu begegnen. Das bringt der europäischen Industrie einen Wettbewerbsvorteil im globalen Wettlauf um Marktanteile im VR-Bereich. Koordiniert wird das Projekt mit gesamt 17 Partnern aus acht Ländern an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien. Gemeinsam will das VRACE-Konsortium den realen Schlüssel zum virtuellen Klang finden.
Im Audio-Bereich gibt es großen Forschungsbedarf, um ein realistisches Hörerlebnis zu ermöglichen.
Fotocredit: Alex Mayer
Virtual Reality (VR) und Augmented Reality (AR) haben das Potenzial, Geschäftsprozesse, soziale Interaktionen und den Bildungsbereich zu verändern. Bei der weiteren Entwicklung geht es insbesondere auch um die Erforschung des Audioteils. Die Bedeutung des Klangs ist enorm und muss exakt mit der visuellen Information übereinstimmen, um ein authentisches Erlebnis zu schaffen. Während die Forschung im visuellen Bereichen bereits recht weit gediehen ist, gibt es im Audiobereich großen Nachholbedarf. Die Schwierigkeit beim Erzeugen eines realistischen Höreindruckes in der virtuellen Realität besteht darin, dass dieser sich laufend ändert und neu berechnet werden muss. Einerseits bewegen sich die Schallquellen und ändern sowohl Position als auch Lage im Raum, andererseits bewegen sich auch die BesucherInnen in der virtuellen Welt, und diese ist nicht konstant: Jemand öffnet zum Beispiel ein Fenster oder eine Türe, zieht einen Vorhang zu oder öffnet das Schiebedach seines Autos. Alle diese Ereignisse verändern den Klang, der die Ohren des Beobachters erreicht.
Von Fahrzeugen bis Konzertsälen
Kleine Fehler und Ungenauigkeiten in der akustischen Darstellung führen zu befremdlicher Wahrnehmung und beeinträchtigen die Realität der virtuellen Welt. Sie verhindern, dass der Besucher vergisst, sich in einer virtuellen Welt zu befinden – und gerade darin liegen ja Reiz und Faszination dieser Technologie. Und das will VRACE ermöglichen. Das Forschungsprojekt umfasst die Modellierung von Schallquellen, wie Musikinstrumenten, Stimmen und Fahrzeugen, die Untersuchung der Schallausbreitung in komplexen Innenräumen, wie Konzertsälen, und in Außenumgebungen, wie städtischen oder ländlichen Gebieten, sowie die Untersuchung der menschlichen Wahrnehmung und Lokalisierung von Geräuschen. Die Unternehmenspartner haben ganz konkrete Forschungsanliegen: So interessiert Siemens zum Beispiel, wie der virtuelle Motor eines Fahrzeugs beim Hochdrehen klingt, oder wie sich ein Zug anhört, der durch eine virtuelle Kleinstadt fährt, und welchen Einfluss eine Schallschutzwand haben kann.
Kick-off-Meeting im März 2019 an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien.
Fotocredit: Alex Mayer
17 Partner aus 8 Ländern
Insgesamt umfasst das Konsortium 17 Partner aus sieben europäischen Ländern sowie den USA. Das Projekt wird vom Institut für Wiener Klangstil (IWK) der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien koordiniert, wo auch drei der 15 PhD-Studierenden betreut werden. Aus Österreich sind weiters die Artim GmbH (Messtechnik- und Optimierungs-Knowhow) aus Gänserndorf, das Institut für innovative Energie- und Stoffaustauschsysteme (IESTA; Soft-Skills Experte des Konsortiums) und die Technische Universität Wien mit an Bord. Letztere ist für die akustische Simulation technischer Systeme zuständig und betreut einen PhD-Studierenden.
Die Projektteilnehmer im Überblick:
- Universität für Musik und darstellende Kunst Wien, Österreich (Projektkoordination)
- Aalto University, Finnland
- Artim GmbH, Österreich
- Centre d’etudes et d’expertise sur les risques d’environnement (CEREMA), Frankreich
- Centre national de la recherche scientifique (CNRS), Frankreich
- Facebook Reality Labs, USA
- Hochschule für Musik Detmold, Deutschland
- Institut für innovative Energie- & Stoffaustauschsysteme (IESTA), Österreich
- Katholieke Universiteit Leuven, Belgien
- Leibniz Universität Hannover, Deutschland
- Müller-BBM GmbH, Deutschland
- Queen’s University of Belfast, UK
- Sennheiser Electronic GmbH & Co. KG, Deutschland
- Siemens Industry Software NV, Belgien
- Syos, Frankreich
- Technische Universität Eindhoven, Niederlande
- Technische Universität Wien, Österreich
Projektkoordinator Wilfried Kausel.
Fotocredit: Alex Mayer
"Große EU-Projekte tragen unheimlich stark zur internationalen Vernetzung der beteiligten Forscherinnen, Forscher und Forschungseinrichtungen bei und erhöhen die Reputation", betont Projektkoordinator Wilfried Kausel. Der Leiter des Instituts für musikalische Akustik – Wiener Klagstil (IWK) unterstreicht auch die Mitwirkung der Industrie, die sowohl den JungforscherInnen zugutekommt, weil sie oft Jobangebote bekommen, als auch den Forschungsorganisationen, weil diese Kontakte für weitere Projektanträge oder Auftragsforschung genutzt werden können. "EU-Projekte gehören zu den wenigen Möglichkeiten, zu gut dotierten PhD-Stellen zu kommen, für die die Universität indirekte Kosten erhält", so Kausel.
Marie Skłodowska-Curie-Maßnahmen
Marie Skłodowska-Curie-Maßnahmen unterstützen die Karriereentwicklung von Forschenden durch internationale Mobilität sowie durch Wissenstransfer zwischen dem akademischen und dem nicht-akademischen Sektor. Auch eine Kofinanzierung von nationalen Doktorats- und Stipendienprogrammen wird ermöglicht. Eine der fünf Marie Skłodowska-Curie-Maßnahmen sind die "Innovative Training Networks" (ITN). Die ersten Ausschreibungen für ITN im nächsten Rahmenprogramm "Horizon Europe" werden in der ersten Jahreshälfte 2021 erwartet.
"Horizon 2020": Rund 75 Milliarden Euro für Forschung und Innovation
Das EU-Forschungsrahmenprogramm "Horizon 2020" ist das weltweit größte transnationale Programm für Forschung und Innovation. Rund 75 Milliarden Euro stehen im Zeitraum 2014 bis 2020 zur Verfügung. Die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG stellt als Nationale Kontaktstelle (National Contact Point, NCP) ein umfassendes Beratungs- und Informationsangebot zur Verfügung. Diese Maßnahmen werden von mehreren Ministerien und der Wirtschaftskammer Österreich finanziert.