#Success-Story: Vereiste Rotoren im Klimawindkanal

In F&E-Projekten kommt es oft anders, als man denkt. Diese Erfahrung machte das Konsortium des "Take off"-Projekts HIS (Heli Ice Safe): Es untersuchte potenzielle Enteisungssysteme für kleine Helikopter, wie sie z. B. in der Flugrettung im Einsatz sind. Für die Versuche im Klimawindkanal wurde ein Rotorprüfstand weiterentwickelt. Bei einem der Versuche kam es zu einem ungeplanten Vorfall.

„Gesamtenteisungssysteme gibt es bis jetzt nur für große Hubschrauber, was eine erhebliche Einschränkung für kleinere Hubschrauber darstellt, die z. B. für Rettungsflüge im Gebirge eingesetzt werden,“ weiß Projektleiter Max Anich von der Tiroler Villinger Gmbh. Das Unternehmen ist auf thermo-elektrische und elektro-mechanische Enteisungsverfahren von Flugzeugbauteilen spezialisiert und hat eine vielseitig einsetzbare Technologie zur Enteisung am Markt, die derzeit weltweit an mehreren Fluggeräten praktisch erprobt wird.

Als Konsortialführer arbeitete Villinger im „Take off“-Projekt HIS (Laufzeit 2017–2021) mit einem bewährten Konsortium zusammen. Ihm gehörten an: das Austrian Institute for Icing Sciences (AIIS), ein Spin-off der FH Joanneum; die Heliair, die die Flugrettung für den ÖAMTC abwickelt; das CEST Kompetenzzentrum für elektrochemische Oberflächentechnologien; und die RTA Rail Tec Arsenal Fahrzeugversuchsanlagen GmbH. Im Klimawindkanal der RTA in Wien wurden die Eigenschaften des Fluggerätes hinsichtlich Vereisung untersucht.

Untersuchungen im Klimawindkanal

„Die Heliair hat uns einen Hubschrauber zur Verfügung gestellt, den wir im ersten Schritt ohne Hauptrotor im Windkanal vereist haben, um herauszufinden, wo sich wie viel Eis ansetzt“, erzählt Max Anich. „Dabei haben wir gesehen, dass die Eisbildung an der Zelle nicht so kritisch ist, dass man hier ein hochkomplexes Enteisungssystem bräuchte.“ – Also konzentrierte sich das Projekt in der Folge auf die beweglichen Teile, wie den Heckrotor und den Hauptrotor.

Um hier realitätsnahe Untersuchungen anstellen zu können, entwickelte das Team unter der Leitung der RTA ein Spin-Rig für den Klimawindkanal weiter. Das Spin-Rig ist ein mit Motor ausgestatteter Prüfstand für Rotorblätter, der sich auf bis zu 2.000 Umdrehungen pro Minute (U/min) beschleunigen lässt. „Mit diesem Rotorprüfstand kann man dynamische Tests durchführen und den Einfluss von Zentrifugalkräften auf Bauteile erproben und ausmessen“, erklärt Max Anich. „Weltweit gibt es sehr wenige von diesen Prüfständen, die auch unter Vereisungsbedingungen betrieben werden können. Dass wir so ein Spin-Rig in Österreich haben, ist etwas Besonderes.“

Hohe Zentrifugalkräfte

Da der Durchmesser eines ganzen Rotorblattes zu groß für den Klimawindkanal ist, wurden die Rotorblätter eingekürzt und an der Flügelvorderkante mit einer Heizschicht von Villinger ausgestattet. Um die Drehung geschwindigkeitskorrekt zu simulieren, hat man die Teilrotoren mit hoher Umdrehungszahl im Eiskanal vermessen. „Ein Hubschrauber-Rotorblatt dreht sich mit ca. 300 bis 500 U/min. Unser Prüfstand kommt auf ein Vielfaches, damit wir auch die hohen Zentrifugalkräfte an den Rotoraußenkanten realitätsnah abbilden können“, führt Max Anich aus.

Nach ersten erfolgreichen Versuchen am Spin-Rig, das für diesen Aufbau neu konfiguriert wurde, kam es durch ein Zusammenspiel verschiedener Umstände zu einem Fehler in der Steuerung und in weiterer Folge zum Versagen des Versuchsaufbaus. Nach Analyse des Zwischenfalles konnten die Fehler gefunden und behoben werden. Während der Prüfstand durch die RTA repariert wurde, stellte Villinger einen neuen Demonstrator her, der in einem weiterem Test untersucht werden konnte.

Aus der Fehleranalyse lernen

„Ja, der Vorfall war in gewisser Weise ein Rückschlag. Aber wir haben aus der Fehleranalyse sehr viel gelernt. Und wir haben auch sehr viele Daten darüber gewonnen, wie sich Vereisung auf die Rotationseigenschaften auswirkt, aber auch über die Unwucht, wenn ein Teil des Eises abgeworfen wird“, fasst Anich zusammen. „Und das Team vom Prüfstand weiß jetzt genauer, wo die wirklichen Herausforderungen eines solchen komplexen Versuchsaufbaus liegen.“ Die Erkenntnisse aus dem Projekt HIS werden auch in neue Projekte einfließen, zum Beispiel das 2020 gestartete „Take off“-Projekt JOICE („Joint Austrian In-flight Icing Research Venture 2020+“).

FFG-Förderung wesentlich

Wie bei vielen F&E-Projekten war für HIS die FFG-Förderung wesentlich. „Da die Windkanalversuche sehr teuer sind, hätten wir das Projekt ohne Förderung nicht in diesem Umfang durchführen können“, ist Projektleiter Max Anich überzeugt. Auch bei den unvorhergesehenen Verläufen – etwa was die deutsche Projektbeteiligung im Rahmen eines übergeordneten LUFO-Projekts betraf, die sich ungeplant entwickelte – habe die FFG sehr hilfsbereit agiert. Und im Hinblick auf den Vorfall im Vereisungswindkanal meint der Luftfahrtexperte: „Wenn man vor einem Forschungsprojekt schon alles darüber wissen würde, wie es läuft, bräuchte man kein Forschungsprojekt.“

Kontakt

DI(FH) Vera EICHBERGER
DI(FH) Vera EICHBERGER
T 0043577555062

Kontakt zum Projektteam

Max Anich, Villinger R&D

 

Max Anich
Villinger R&D
Gewerbepark 6
A-6142 Mieders
Tel: +43 5225 6445515

www.villinger.com