Die Montanuniversität Leoben hat mit europäischen Projektpartnern in einem "Horizon 2020"-Projekt eine revolutionäre Bohrtechnologie entwickelt, die den Zugang zur alternativen Energiequelle Geothermie wesentlich verbessert.
Die Europäische Kommission hat sich mit dem "Green Deal" ein ambitioniertes Ziel gesetzt: Bis 2050 soll Europa der erste klimaneutrale Kontinent der Welt werden. Dazu werden Forschung und Innovation wesentlich beitragen. So wie beispielsweise das Projekt ThermoDrill, das von der FFG unterstützt und im EU-Forschungsrahmenprogramm "Horizon 2020" gefördert wurde. Die beiden Projektkoordinatoren an der Montanuniversität Leoben haben dabei mit neun europäischen Partnern aus sechs Ländern eine revolutionäre Bohrtechnologie entwickelt, die den Zugang zur emissionsarmen Energiequelle "Geothermie" ermöglicht: Es ist gelungen, die Bohrgeschwindigkeit in Hartgestein wie etwa Granit um rund 100 Prozent zu steigern und die Bohrkosten dabei um rund 20 Prozent zu senken. Die Weiterentwicklung dieser Bohrtechnologie bis zur Marktreife könnte ein wesentlicher Schritt zum verstärkten Einsatz von Geothermie als alternative Energiequelle sein und zu einer sicheren und nachhaltigen Energieversorgung beitragen. Grüne Energie beißt so nicht länger auf Granit!
Bohrkosten machen bisher bei Geothermie-Kraftwerken rund 50 Prozent der Gesamtinvestitionskosten aus.
Fotocredit: ÉS-Géothermie, France
Die langfristige und nachhaltige Energieversorgung ist eine der zentralen Herausforderungen, mit denen Europa konfrontiert ist und die auch in der Forschung dementsprechend große Bedeutung hat. Die Verwendung von geothermischer Energie (zur Wärme- und auch Stromversorgung) als erneuerbare Energiequelle kann dabei wesentlich zur sicheren und nachhaltigen Energieversorgung beitragen und als direkte Wärmequelle sowie zur Erzeugung von elektrischem Strom genutzt werden. Der große Vorteil von Geothermie ist, dass die Energie 24 Stunden am Tag mit nahezu keinen CO2-Emissionen und beinahe überall auf der Erde genutzt werden kann. Dabei liegen die entsprechenden Geothermie-Gewinnungsbereiche zumeist in Tiefen zwischen 3.000 und 5.000 Metern unterhalb der Erdoberfläche, üblicherweise in Hartgesteinsformationen wie Granit. Herausfordernd dabei sind die hohen Bohrkosten, die mit zunehmender Tiefe exponentiell ansteigen und bei Geothermie-Kraftwerken rund 50 Prozent der Gesamtinvestitionskosten ausmachen. Hier setzt das Forschungsprojekt ThermoDrill an.
Entwicklung einer innovativen Bohrtechnologie
Das Hauptziel des "Horizon 2020"- Projektes war die Entwicklung einer innovativen Bohrtechnologie für eine wesentlich erhöhte Bohrgeschwindigkeit: Die Forscherinnen und Forscher haben die herkömmliche Rollenmeißeltechnologie mit einer sogenannten Wasserstrahlschneidtechnik kombiniert und weiterentwickelt. Dabei wird direkt im Bohrloch ein Hochdruckwasserstrahl erzeugt, der bereits zu einer tiefen Einkerbung im Gestein führt und damit die Arbeit des Rollenmeißels wesentlich erleichtert, sodass es zu einer Steigerung von bis zu 100 Prozent der Bohrgeschwindigkeit im Hartgestein kommt. Diese revolutionäre Hybridtechnologie wurde unter anderem in einem Feldversuch in einer 1,3 km tiefen realen Bohrung in Österreich bestätigt. Es konnte zudem gezeigt werden, dass das ThermoDrill-System problemlos mit der bestehenden Bohrinfrastruktur und etablierten Verfahren kombinierbar ist – ein wesentlicher Schritt in Richtung Marktreife. Ein zusätzlicher Pluspunkt ist die deutliche Senkung der Bohrkosten von rund 20 Prozent.
Das Projektvideo zum "Horizon 2020"-Projekt ThermoDrill zeigt die engagierte Arbeit des interdisziplinären Teams.
Neun Partner aus sechs verschiedenen Ländern
Das Projekt wird von der Montanuniversität Leoben koordiniert. Insgesamt umfasst das Konsortium neun Partner aus sechs europäischen Ländern. Aus Österreich sind neben der Montanuniversität Leoben die beiden oberösterreichischen Unternehmen RAG Energy Drilling GmbH (Gampern) und sirius-es Handels GmbH (Wels) dabei.
Das ThermoDrill-Konsortium im Überblick:
- Montanuniversität Leoben, Österreich (Projektkoordinator)
- ES-Geothermie, Frankreich
- BESTEC GmbH, Deutschland
- RAG Energy Drilling GmbH, Österreich
- INERCO, Spanien
- Technische Universität München, Deutschland
- sirius-es Handels GmbH, Österreich
- Smith International Italia SPA, Italien
- Geo Energie Suisse AG, Schweiz
Die beiden Projektkoordinatoren Karin Rehatschek und Thomas Stoxreiter von der Montanuniversität Leoben.
Fotocredit: Foto Freisinger und Thomas Stoxreiter
Auch wenn die Projektkoordination bei der Antragstellung und Projektdurchführung einen hohen Aufwand mit sich bringt, überwiegen aus Sicht der beiden Projektkoordinatoren Karin Rehatschek und Thomas Stoxreiter von der Montanuniversität Leoben die Vorteile bei der erfolgreichen Durchführung eines EU-Projektes. Sie nennen den direkten und persönlichen Kontakt zur Europäischen Kommission bzw. INEA (Innovation and Networks Executive Agency), die verstärkte Sichtbarkeit und gesteigerte Reputation sowie die zusätzlichen Vernetzungsmöglichkeiten, z.B. durch die Einladungen zu Cluster-Treffen. "Außerdem war die Unterstützung der FFG bei sämtlichen Fragestellungen, die wir als Koordinator hatten, außerordentlich hilfreich", betonen die beiden Projektkoordinatoren.
"Horizon 2020": Rund 75 Milliarden Euro für Forschung und Innovation
Das EU-Forschungsrahmenprogramm "Horizon 2020" ist das weltweit größte, transnationale Programm für Forschung und Innovation. Rund 75 Milliarden Euro stehen im Zeitraum 2014 bis 2020 zur Verfügung. Die Österreichische Forschungsförderungsgesellschaft FFG stellt als Nationale Kontaktstelle (National Contact Point, NCP) ein umfassendes Beratungs- und Informationsangebot zur Verfügung. Diese Maßnahmen werden von mehreren Ministerien und der Wirtschaftskammer Österreich finanziert.