Welche digitale Unterstützung wünschen sich alte Menschen und Pflegekräfte bei der Pflege und Betreuung? Das Sondierungsprojekt „Smart Care Dornbirn“ ist dieser Frage auf den Grund gegangen. Die Antwort: Eine Plattform, die informelle und professionelle Pflege miteinander vernetzt, würde allen Beteiligten am meisten helfen.
Dornbirn ist mit knapp 50.000 Einwohnern die größte Stadt in Vorarlberg. Über 18 % der Dornbirner Männer und Frauen sind über 60 Jahre alt. Damit liegt der Altersschnitt unter dem von Österreich (25 % sind über 60 Jahre) – und trotzdem könnte die Stadt ein Beispiel dafür abgeben, wie sich die professionelle Pflege durch digitale Unterstützung in Zukunft verbessern lässt.
Fokusgruppen noch vor dem Lockdown
Die Senior-Researcherin Katrin Paldán und ihr Kollege Lukas Arnold von der FH Vorarlberg haben gemeinsam mit Verantwortlichen der Stadt Dornbirn und des Pflegeverbands Dornbirn im Projekt „Smart Care Dornbirn“ erhoben, welche digitale Unterstützung sich alte Menschen und Pflegekräfte wünschen. Dabei wurden die Betroffenen direkt befragt: In mehreren Fokusgruppensitzungen, die im Winter 2019/20 noch vor dem ersten Corona-Lockdown „live“ stattfinden konnten, haben sich Runden zusammengefunden, die die Versorgungslandschaft in Dornbirn und auch in der Umgebung repräsentieren: Vom mobilen Hilfsdienst über den Krankenpflegeverein, von Gesundheitsdienstleistern bis zu LeiterInnen der städtischen Pflegeheime wurden insgesamt 27 Personen nach den Anforderungen an ein technisches Assistenzsystem für eine smarte Pflege- und Betreuung befragt. Und dabei kamen auch die zu Wort, die die Leistungen in Anspruch nehmen: die älteren Bewohnerinnen und Bewohner Dornbirns.
Verschiedene Anwendungsszenarien
„In den Gesprächen wurden verschiedene Anwendungsszenarien von digitaler Unterstützung identifiziert. Darunter waren auch klassische Ambient-Assisted-Living-Anwendungen wie eine Sturzerkennung oder automatische Herdabschaltung“, erzählt Katrin Paldán. „Das Szenario, dem die höchste Priorität eingeräumt wurde, ist eine digitale Austausch- und Serviceplattform für die Betreuungs- und Pflegedienste.“
Anforderungen an eine Pflegeplattform
In Expertenworkshops wurden in der Folge die Anforderungen für eine derartige Plattform definiert. Ganz oben auf der Liste: Die digitale Plattform soll die Kommunikation zwischen Service-Empfängern / Klientinnen und Klienten sowie den Serviceleistenden verbessern und zu einer besseren Abstimmung zwischen den formellen und den informellen Pflege- und Betreuungskräften beitragen. Auf der informellen Seite stehen Angehörige und Nahestehende, unter formeller Pflege werden in der Regel professionelle Angebote verstanden.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Expertenworkshops von "Smart Care Dornbirn". Foto: FH Vorarlberg
Die Vorschläge, was die Plattform können muss, reichen von konkreten Anwendungen, wie To-do-Listen für ein Betreuungsteam, wo zum Beispiel jeder sehen kann, welche Lebensmittel im Haushalt der betreuten Person fehlen oder ob der fällige Einkauf schon erledigt wurde. Katrin Paldán: „Das sind Punkte, die sich technisch gut umsetzen lassen und aus Sicht unserer Interviewpartner den Alltag erleichtern würden. Die Plattform soll allerdings nicht überfrachtet sein, und die Informationen sollen maßgeschneidert sein, d. h. die Oberfläche muss für die jeweiligen Nutzergruppen angepasst werden.“
Paldán erläutert das an einem Beispiel: Eine Betreuungskraft, die Frau X nach einem Schlaganfall bei den alltäglichen Aufgaben daheim hilft, soll von der Plattform prinzipiell nur jene Informationen erhalten, die für ihre Arbeit wichtig sind. Aber sie könnte auch gezielt einen Hinweis von der Pflegefachkraft angezeigt bekommen, wie: „Achte bei Frau X bitte darauf, dass sie den linken Arm beim Kochen mitbenutzt.“
Der Mehrwert der Vernetzung
Im Rahmen von „Smart Care Dornbirn“ wurde in einem ersten Schritt ein Lastenheft mit gewünschten Features für die Pflegeplattform erstellt. Aus diesem Lastenheft wird in weiterer Folge ein Pflichtenheft mit den konkreten technischen Anforderungen abgeleitet. Dabei stellt sich die Frage, ob man diese Plattform neu entwickelt oder ob man sich vorhandener Lösungen bedient, wie sie in der Schweiz bereits zum Einsatz kommen. „Für die Projektpartner und die Stadt Dornbirn ist es wichtig, was die verschiedenen Varianten kosten und wie sich der Mehrwert der Plattform beziffern lässt“, sagt Katrin Paldán. – Diese Kennzahlen werden aktuell im Forschungsprojekt „Smart Government“ an der FH Vorarlberg errechnet.
Für die Projektleiterin steht der gesellschaftliche Mehrwert der digitalen Vernetzung im Feld der Pflege außer Frage: „Die professionelle Pflege mit ihren hohen Standards ist mit hohen Kosten verbunden. Wenn man sehr früh auf professionelle Pflege setzt, kommt es zur Verteuerung der Versorgung. Daher ist es ein wichtiges Ziel, dass man eine bessere Abstimmung zwischen den informellen und professionellen Gruppen hinbekommt, um die Pflege bezahlbar zu halten. Eine digitale Plattform als rahmensetzendes System ist ein zentrales Hilfsmittel, das den Pflegebereich in Zukunft unterstützen kann, um eine wirksame und bezahlbare Versorgung sicherzustellen.“
Kontakt:
Dr. Katrin Paldán
Senior Researcher / Research Centre for User Centred Technologies (UCT)
Fachhochschule Vorarlberg GmbH, Dornbirn
T +43 5572 792 7306
katrin.paldan@fhv.at
www.fhv.at