#Success-Story: Mauerkatzen gegen die Sommerhitze
Mauerkatzen, Efeu, Blauregen und Co. können die Wärmeentwicklung in der Stadt punktuell eindämmen und Gebäudetemperaturen senken. Im Projekt „50 grüne Häuser“ wurde die All-in-One-Lösung „BeRTA“ für die effektive Fassadenbegrünung entwickelt. BeRTA steht für: Begrünung, Rankhilfe, Trog, All-in-One. Die Stadt Wien trägt einen Teil der Kosten für die Aufstellung der BeRTA-Rankengewächsmodule.
Austropopstar Rainhard Fendrich hatte in jungen Jahren eine prophetische Ader: „Die Hitze in der Stadt ist im Sommer brutal, da man fürchterlich matt ist, wird das Leben zur Qual“, sang er im Sommerhit 1982, „Oben ohne“. Seither ist die Durchschnittstemperatur in Wien um 1,7 Grad Celsius gestiegen: In den 1980ern lag sie bei 10 Grad, in den 2010er-Jahren bei 11,7. Die Anzahl der Hitzetage mit über 30 Grad hat sich im selben Zeitraum mehr als verdoppelt: In Summe 104 Hitzetage gab es von 1981 bis 1990; in den zehn Jahren von 2011 bis 2020 waren es schon 287 Hitzetage. Sommerliche Spitzenwerte von bis zu 38 Grad Celsius können stellenweise an sogenannten urbanen Hitzeinseln noch einmal um bis zu 12 Grad überboten werden. Fendrich hatte recht: Die Hitze ist brutal!
Gefühlt bis zu 13 Grad kühler
Dass Rankengewächse an Häuserfassaden einen günstigen Einfluss auf das Mikroklima haben, ist schon länger bekannt. Das Blattwerk von dichten grünen Fassaden hemmt die Wärmeabstrahlung und senkt die gefühlte Temperatur um bis zu 13 Grad. Warum gibt es da nicht mehr grüne Fassaden in Wien? – Das war die Ausgangsfrage für das Team der Tatwort GmbH, die nachhaltige Projekte entwickelt, betreut und umsetzt. Mit einer Förderung im Rahmen des Programms „Stadt der Zukunft“ des Klimaschutzministeriums (BMK) machte man sich an die Erforschung und Behebung der Ursachen für den Grünfassadenmangel. Im Projekt „50 grüne Häuser“ kooperierte das „Tatwort“-Team rund um die Geschäftsführerin und Projektleiterin Susanne Lins mit Expertinnen und Experten der Wiener MA 22 und vielen weiteren Dienststellen der Wiener Stadtverwaltung, der Arbeitsfachgruppe „Vegetationstechnik“ der Universität für Bodenkultur (BOKU) sowie von „Die Umweltberatung“ und der GrünStattGrau Forschungs- und Innovations GmbH.
Auf Rankengewächse abgestimmter Pflanztrog
Warum es bisher nicht mehr grüne Fassaden in Wien gab, lag einerseits daran, dass es kein All-in-One-Begrünungspaket am Markt gab, und zudem war der Genehmigungsprozess sehr komplex: Bis zu neun Dienststellen waren zu konsultieren, wollte man alle erforderlichen Genehmigungen für eine nachträgliche Fassadenbegrünung erhalten. Wesentlich im Projekt „50 grüne Häuser“ waren daher die Besprechungen mit den zuständigen Behörden, um den Bewilligungsablauf zu vereinfachen. Parallel dazu entwickelte das Netzwerk rund um GrünStattGrau das „BeRTA“-Modul: einen Pflanztrog inkl. Wasseranstau, Wasseranzeige, Substraten, Pflanzen, Rankhilfen etc., perfekt auf die jeweiligen Rankengewächse abgestimmt. Je nach Standort, Ausrichtung und Beschaffenheit einer Fassade werden die Tröge mit selbstklimmenden Kletterpflanzen (Efeu, Mauerkatzen) oder Gerüstkletterpflanzen (Hopfen, Wein, Geißblatt …) bestückt. Die fallweise notwendigen Kletterhilfen werden ebenfalls zur Verfügung gestellt.
Die BeRTA-Rankmodule machen die nachträgliche Fassadenbegrünung einfach. Foto: Julia Beck/Tatwort
Erfolgreiche Vereinfachung des Bewilligungsverfahrens
Das A im Akronym BeRTA steht für All-in-One, und das bezieht sich nicht nur auf das Gärtnerische, sondern auch auf den erfreulichen Umstand, dass von der Vor-Ort-Beratung über die individuelle Planung, die Bewilligung für die Aufstellung der BeRTA-Pflanzentröge bis hin zur Errichtung und Übergabe der Pflegeanleitung alles über nur noch eine zentrale Anlaufstelle läuft, und zwar über die Website www.berta-modul.at. Eigentümer und Hausverwaltungen, die sich für die Begrünung einer Hausfassade interessieren, erhalten beim BeRTA-Team alles aus einer Hand.
Ausrollung auf ganz Wien nach erfolgreicher Testphase in Favoriten
Im November 2019 waren die ersten 50 BeRTA-Tröge vor mehreren Wohnhäusern in Wien-Favoriten aufgestellt worden. Nach dem gärtnerischen Erfolg und den äußerst positiven Rückmeldungen auf den Pilotdurchgang wurde das Projekt inzwischen auf ganz Wien ausgerollt. Die Nachfrage ist sehr groß, vermutlich auch deshalb, weil die Stadt Wien die Umsetzung großzügig fördert. In der Modellrechnung auf der BeRTA-Website werden von 8.000 Euro, die für Beratung, Planung und Aufstellung von beispielhaft zwei BeRTA-Trögen anfallen, ganze 6.880 Euro von der öffentlichen Hand übernommen.
Apropos Förderung
Auch die FFG-Projektförderung im Rahmen von „Stadt der Zukunft“ hat sich bezahlt gemacht, denn ohne diese Kostenbeteiligung hätte die Tatwort GmbH das Projekt „50 grüne Häuser“ nicht abwickeln können. So aber wurde ein klares Zeichen für mehr urbane Lebensqualität gesetzt: „Fassadenbegrünungen sind wahre Multitalente, die nicht nur für bessere Luft und ein positives Mikroklima sorgen“, sagt Projektleiterin Susanne Lins. „Sie halten die Gebäudeoberfläche und damit auch den Straßenraum kühler. Durch den reduzierten Kühlbedarf tragen sie dazu bei, den CO₂-Ausstoß zu senken. Für Gebäude wirken Bauwerksbegrünungen wie Schutzschilder gegen Verwitterung und helfen, Sanierungs- und Wartungskosten zu senken. Zudem steigern Begrünungen nachweislich den Immobilienwert und erhöhen Lebensqualität und Gesundheit der Bewohnerinnen und Bewohner.“