#Success Story: Barrierefreiheit über den Wolken
Flugreisen sind in Europa für Personen mit körperlichen Beeinträchtigungen aufgrund fehlender Einrichtungen oft nur unter großen Mühen oder gar nicht zu bewerkstelligen. In einer FFG-geförderten Machbarkeitsstudie wird erstmals sondiert, welche konkreten Verbesserungen sich die Betroffenen wünschen und welche Maßnahmen technisch möglich und finanziell realistisch sind.
Was ist sinnvoll und machbar?
Im Projekt Cabin4All wird unter Einbeziehung von VertreterInnen der Flugindustrie und mehrerer Behindertenverbände ein entsprechender Anforderungskatalog als Grundlage für die zukünftige Flugzeugentwicklung in Europa erarbeitet. Basis des von der Wiener Firma netwiss in Kooperation mit der TU Wien, der FH JOANNEUM und Rodlauer Consulting durchgeführten Sondierungsprojekts sind die technische und ökonomische Machbarkeit von behindertengerechten Einrichtungen und Services, die in Europa geltenden Regulierungen sowie die Bedürfnisse der Betroffenen. Gefördert wird Cabin4All von der FFG in der Programmlinie TAKE OFF des BMVIT. „Diese Machbarkeitsstudie soll klar aufzeigen, welche Maßnahmen umsetzbar sind, welcher Mehrwert generiert werden kann, und welche Veränderungsmöglichkeiten unter heutigen Gesichtspunkten nicht weiter verfolgt werden sollen“, erklärt Bernhard Rüger, geschäftsführender Gesellschafter der netwiss OG.
Japan und USA als Vorbilder
Um die konkreten Problemfelder zu definieren, wurden in einem ersten Schritt über 2000 Menschen, darunter 16,5 % Personen mit einer körperlichen Einschränkung, online und am Flughafen Salzburg befragt. Die am häufigsten genannten Punkte waren: Beinfreiheit, Sitzkomfort, Platzverfügbarkeit auf der Toilette (v. a. für RollstuhlfahrerInnen), Breite des Gangs und Zurückklappen des Sitzes. Im Gegensatz zum europäischen Diskriminierungsschutzgesetz definiert die US-Gesetzgebung klare Vorgaben für den Transport von beeinträchtigten Personen. So müssen Flugzeuge über einen Bordrollstuhl und eine barrierefreie Toilette verfügen. Diese Vorgaben werden auch praktisch umgesetzt, wie die ProjektmitarbeiterInnen bei der Analyse der Serviceleistungen der beiden amerikanischen Fluggesellschaften United Airlines und American Airlines herausfanden. Auch die Praktiken und Services der japanischen All Nippon Airways wurden in der Machbarkeitsstudie aufgelistet, da diese Fluggesellschaft als internationaler Vorreiter für barrierefreies Reisen in der Luftfahrtbranche gilt.
Problem Kostenfaktor
Für europäische Fluglinien gibt es hier noch beträchtlichen Nachholbedarf. Welche Maßnahmen sollten also realisiert werden? Gemessen am absoluten Nutzwert steht an erster Stelle eine eigene App für Betroffene, gefolgt von einem Blindenleitsystem, einem Onboard-Wheelchair in der Flugzeugkabine und einer barrierefreien Toilette; auch der Wunsch nach einer Begleitperson sowie entsprechende Personalschulungen wurden genannt. Werden die Maßnahmen jedoch nach dem Kostenfaktor gewichtet, findet sich der Onboard-Wheelchair nicht mehr unter den kurzfristigen Umsetzungsempfehlungen. „Die Ausstattung der Flugzeuge etwa mit barrierefreien Bordtoiletten wird wahrscheinlich erst bei der Generalüberholung der Flugzeuge in 5 bis 10 Jahren realisierbar sein“, so Rüger. „Kleinere Investitionen, etwa in Blindenleitsysteme oder eine App, sind dagegen auch kurzfristig umsetzbar.“
Motivationsschub durch neue Gesetze
Relativ teure Gesamtsystemlösungen werden die Fluglinienbetreiber erwartungsgemäß erst nach Inkrafttreten entsprechender gesetzlicher Vorschriften in Kauf nehmen. Zudem bestehe im Bereich der mobilen Sitzplatzvorschläge noch erheblicher Forschungs- und Entwicklungsbedarf, um eine Verwirklichung überhaupt in Betracht zu ziehen. „Auch die benutzerfreundliche Cabin4All-App und das Konzept der barrierefreien Bordtoilette müssen in aufbauenden Folgeprojekten noch weiterentwickelt werden“, so Rüger. Die Erkenntnisse aus diesem Sondierungsprojekt werden sich nicht zuletzt auf die künftigen europäischen Vorschriften auswirken. „Es ist sehr wichtig, dass international die gleichen Maßnahmen gesetzt werden, um nicht durch Wettbewerbsverzerrungen effektive Lösungen zu gefährden“, betont Bernhard Rüger.
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