Adipositas gehört zu den häufigsten Zivilisationskrankheiten und erhöht das Risiko für weitere gesundheitliche Probleme. Salzburger Forscherinnen und Forscher entdeckten das regulatorische Eiweißmolekül Alarin, das einen essenziellen Beitrag zur medikamentösen Behandlung von Übergewicht leisten könnte. Eine im Rahmen des Programms BRIDGE geförderte Studie konnte zeigte, dass Alarin durch eine intranasale Gabe die Blut-Hirn-Schranke überwinden und so den Appetit beeinflussen kann.
Manchmal lohnt es sich, genauer hinzusehen, wenn etwas nicht so funktioniert, wie man ursprünglich erwartet hatte. So ging es zumindest dem Team rund um Barbara Kofler, die das Forschungslabor der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendheilkunde in Salzburg leitet. Bei der Arbeit mit einer Eiweißgruppe erhielt man im Jahr 2006 unerwartete Fragmente, die sich kurze Zeit später als große Entdeckung entpuppten.
Ein Winzling wird zur Sensation
Die genaue Analyse der Daten zeigte, dass es sich bei diesem scheinbaren Fehler um ein bisher unbekanntes Eiweißhormon handelt. Diese winzigen Eiweißmoleküle können wie ein Hormon oder Neurotransmitter wirken, wobei sie mittlerweile auch im peripheren Gewebe und in nicht-neuronalen Zellen, wie etwa Immunzellen, gefunden wurden. „Wir wissen, dass es rund einhundert solcher Eiweißhormone oder regulatorische Peptide im menschlichen Körper gibt, von denen viele in ihrer Wirkung noch nicht vollständig aufgeklärt sind. Dass wir durch Zufall auf eines davon gestoßen sind, war daher eine wahre Sensation”, berichtet Barbara Kofler über die erste Begegnung mit Alarin.
Alarins Aufgaben auf der Spur
Nun galt es herauszufinden, welche Funktionen das Eiweißhormon im Körper übernimmt. Einen ersten Hinweis gab seine Verwandtschaft mit bereits bekannten Peptiden, die darauf schließen ließ, dass es den Appetit beeinflussen könnte. Diese Annahme bestätigte sich, als man in ersten Versuchen an Mäusen sah, dass Alarin in jenen Teilen des Gehirns produziert wird, die für eine Regulation des Appetits und des Blutdrucks zuständig sind. Auf seiner weiteren Spurensuche fand das Team von Barbara Kofler das Eiweißhormon aber auch in der Peripherie, wo es einen Effekt auf die Kontraktion und Öffnung der Blutgefäße hat. Mittlerweile haben Arbeitsgruppen weltweit die Forschung an dem Peptid aufgenommen und sind auf weitere mögliche Wirkungsbereiche gestoßen. So könnte es auch bei Herzmuskelerkrankungen und der Entstehung von Depressionen und Angsterkrankungen eine Rolle spielen.
Das Team des Forschungslabors an der Salzburger Universitäts-Kinderklinik rund um Univ.-Prof. Dr. Barbara Kofler. Foto: SALK
Intranasale Gabe bringt Alarin ins Gehirn
Während Alarin in den bisher durchgeführten Arbeiten direkt ins Gehirn der Mäuse injiziert wurde, musste für eine mögliche zukünftige Anwendung beim Menschen zuallererst eine andere Darreichungsform gefunden werden. Die Schwierigkeit dabei ist, das Peptid durch die Blut-Hirn-Schranke ins Gehirn zu bringen. Man entschied sich für das relativ neue Verfahren der intranasalen Gabe und fand mit dem Wiener Biotechnologieunternehmen APEPTICO einen Partner, der bereits reichlich Erfahrung mit der Entwicklung von Peptid-basierenden Therapeutika hatte. Im Zuge des von der FFG geförderten BRIDGE-Projekts sollte nun bewiesen werden, dass Alarin, intranasal verabreicht, tatsächlich ins Gehirn von Mäusen gelangt und die Nahrungsaufnahme beeinflusst. Um die Stabilität des Peptids zu erhöhen, wurde es in eine chemische Substanz verpackt und anschließend in die Nasen der Nagetiere appliziert. Für die Langzeitstudie wählte das Forscherteam eine recht geringe Dosis, um toxische Nebenwirkungen zu vermeiden, wie Barbara Kofler erklärt: „Alarin erwies sich als gut verträglich und nebenwirkungsfrei. Aus diesem Grund führten wir nach der Langzeitstudie ein Kurzzeitexperiment mit einer weitaus höheren Dosierung durch und konnten dabei Hirnregionen stimulieren, welche unter anderem für die Regulation der Nahrungsaufnahme verantwortlich sind.“
Die Studie bestätigt somit die Durchführbarkeit und zeigt, dass Alarin bei intranasaler Gabe tatsächlich die Blut-Hirn-Schranke überwinden kann. Damit ist also die notwendige Basis für die zukünftige Forschungsarbeit rund um das Peptid und seine mögliche Wirkung bei Adipositas gelegt. Bis zur tatsächlichen Medikamentenentwicklung ist es jedoch noch ein sehr langer Weg. So fehlt den Forscherinnen und Forschern beispielsweise das Wissen um den Rezeptor, an den Alarin in den Zellen andockt, und damit eine wichtige Voraussetzung für weitere Erkenntnisse.
FFG förderte die ersten Schritte
Als besonders erfreulich bezeichnet Barbara Kofler die Bereitschaft der FFG, auch ein Projekt zu fördern, dessen Forschung noch in den Kinderschuhen steckt. „Wir hatten natürlich schon erste vielversprechende Ergebnisse aus unserer bisherigen Arbeit, aber trotzdem braucht es unzählige weitere Schritte, bis Alarin am Menschen getestet werden kann. Umso mehr freut es uns, dass die FFG diese Studie gefördert und ermöglicht hat.”