FFG: "Wirtschaft in Richtung Klimaschutz und Digitalisierung transformieren" - Gespräch mit APA Science
Aufschwung durch Innovation: Nach der Coronakrise braucht es "sehr rasch eine Forschungs- und Innovationsoffensive zur Stimulierung und Transformation der Wirtschaft in Richtung Klimaschutz und Digitalisierung", so die FFG Geschäftsführung im Gespräch mit APA Science
Wien (APA-Science) - Die durch Covid-19 ausgelöste weltweite Krise zeigt für FFG-Geschäftsführer Klaus Pseiner die Verletzlichkeit und mangelnde Resilienz des Wirtschaftssystems auf. Investitionen müssten in schwierigen Zeiten noch strategischer und exakter überlegt werden. Nach der Coronakrise brauche es daher "sehr rasch eine Forschungs- und Innovationsoffensive zur Stimulierung und Transformation der Wirtschaft in Richtung Klimaschutz und Digitalisierung".
Warum es trotz der Pandemie um ein Fünftel mehr Anträge bei den Basisprogrammen gibt als im Vorjahr, wohin sich die Schwerpunkte bei der nächsten Runde des "Corona Emergency Calls" verschieben (siehe "FFG: Forschungsförderung 2019 unverändert bei 618 Mio. Euro") und was sie an Positivem an der derzeitigen Situation sehen, erläuterten Pseiner und FFG-Geschäftsführerin Henrietta Egerth im E-Mail-Interview mit APA-Science.
APA-Science: Wie hat sich Ihr Alltag als FFG-Geschäftsführer und Privatpersonen seit Beginn der Coronakrise verändert?
Henrietta Egerth: Unser Alltag als FFG-Geschäftsführer hat sich kaum geändert. Wir sind es gewohnt, flexibel und auch remote zu arbeiten. Nur technisch oder organisatorisch ist der Kontakt mit unseren Teams und Kund*innen seit dem Lockdown etwas anders.
Klaus Pseiner: Wir sehen, dass die Zahnräder der FFG auch in Zeiten des Homeoffice einwandfrei ineinander greifen und die FFG voll funktionsfähig ist. Das macht uns stolz.
Welche Rolle hat für Sie die Forschung bisher in der Coronakrise gespielt - welche kann sie beim "Hochfahren" des Landes spielen?
Pseiner: Forschung ist ganz zentral, und Forschung wirkt. Das gilt in guten Zeiten, aber noch viel mehr in herausfordernden. Sowohl in der Krise als auch beim Weg aus und nach der Krise. Wir Menschen forschen und entwickeln dadurch uns, unseren Lebensraum und unsere Möglichkeiten weiter. Innovationen unterstützen dabei, Lösungen - sei es für medizinische, sei es für soziale, wirtschaftliche Fragen und auch für Fragen der Umwelt und den Klimaschutz - zu finden. Forschung ist Investition in die Zukunft, und sie ist ein ureigener Dienst an der Gesellschaft. Davon sind wir überzeugt.
Egerth: Das Auftreten des Coronavirus hat in der Forschung zweifellos zu einem Motivationsschub geführt und auch viele neue Kooperationen und kreative Ideen ausgelöst. Es hat auch gezeigt, wie wichtig ein gutes Innovationssystem und eine gute Zusammenarbeit von Wirtschaft, Instituten, zivilgesellschaftlichen Organisationen und der öffentlichen Hand ist. Unsere Rolle als Forschungsförderer ist geschätzter denn je. Forschungsförderung bedeutet Vertrauen, geteiltes Risiko und Innovationsschub.
Die FFG wickelt unter anderem den "Corona Emergency Call" ab, mit dem in der ersten Antragsrunde 24 Projekte genehmigt wurden. Wie ist ihre Zwischenbilanz und was erwarten Sie für die nächste Runde?
Egerth: Die Corona-Forschung läuft auf Hochtouren und wird mit dem Corona-Emergency Call als Sofortmaßnahme von der Bundesregierung mit einem Gesamtvolumen von 26 Millionen Euro gezielt unterstützt. Wir verzeichnen eine ähnlich starke Nachfrage wie im ersten Einreichschluss. Und wir sehen eine Verschiebung der Schwerpunkte in Richtung Infektionsprävention bzw. Fertigungsstrategien und Projektanträge aus allen Bundesländern. Nach den ersten Förderzusagen Ende April werden Anfang Juni die nächsten Projekte folgen.
Pseiner: Dieser Emergency Call trägt jedenfalls ein Stück weit dazu bei, um einerseits mit der Erforschung notwendiger Medikamente und weiteren Maßnahmen gegen das Corona-Virus anzukämpfen und andererseits unabhängiger in den Bereichen der Technologien oder Produktion von knappen Gütern zu werden. Wir haben sowohl im Bereich der Lebenswissenschaften als auch in vielen Produktionsfeldern hervorragende Unternehmen in Österreich. Unsere FFG-Förderungen geben den Unternehmen in ihrer Forschungs- und Entwicklungsleistung Rückenwind.
Wie hat sich der Förderalltag abseits der Corona-spezifischen Förderprogramme seit dem Lockdown Mitte März für die FFG und den durchschnittlichen FFG-Antragsteller dargestellt?
Egerth: Wer rasch hilft, hilft doppelt. Das ist unser grundsätzliches Motto. So haben wir in der Coronakrise zusätzlich zum Emergency Call ein ganzes Maßnahmenpaket geschnürt, um die innovativen Unternehmen mit unserem Förderangebot noch besser unterstützen zu können. Das braucht es auch. Die Maßnahmen reichen von beschleunigter Fördervergabe über verlängerte Einreichfristen bis hin zu Erleichterungen in der Abwicklung oder raschere Auszahlung und umfassen natürlich auch alle unsere Beratungsservices (z.B. QuickCheck).
Wie schätzen Sie die Auswirkungen der Coronakrise auf den heimischen Forschungs- und Wissenschaftsbetrieb generell ein, welche längerfristigen Folgen sind zu erwarten?
Pseiner: Der FFG Abschluss 2019 zeigt mit mittlerweile mehr als 3.800 Forschungs- und Innovationsprojekten pro Jahr mit einem jährlichen Fördervolumen von mehr als 773 Millionen Euro wieder ein Wachstum. Die Nachfrage ist ungebrochen hoch und steigt sogar weiter. So verzeichnen wir in den FFG-Basisprogrammen im Vergleich zum Vorjahr sogar ein Plus an Projektanträgen von 20 Prozent. Das heißt, dass Unternehmen sich jetzt verstärkt auf Forschung, Entwicklung und Innovation konzentrieren.
Was bedeutet die aktuelle Situation für die mittel- und längerfristige Planung der FFG?
Egerth: Die aktuelle Situation zeigt, dass durch die Krise der normale Markt eingebrochen ist und sich Unternehmen verstärkt auf Forschung, Entwicklung und Innovation konzentrieren, um nach der Krise den Markt mit neuen Produkten und Ideen zu bedienen zu können. Forschung und Innovation sind die entscheidenden Faktoren im unternehmerischen Wettbewerb. Eine WIFO-Studie hat gezeigt, dass intensiv forschende Unternehmen in Krisenzeiten weniger stark leiden und rascher die Talsohle durchschreiten. Sowohl in punkto Umsatz, als auch in punkto Beschäftigung und Export nehmen diese Unternehmen rascher und intensiver wieder Fahrt auf. Und hier begründet sich eine die Chance zu einer Neuaufstellung in Richtung klimaneutraler Produkte und Dienstleistungen. Dafür benötigt die Wirtschaft bestmögliche Rahmenbedingungen und effektive Unterstützung. Das IHS regt ausdrücklich an, bei bestehenden FTI-Förderungen (FTI=Forschung, Technologie, Innovation; Anm.) stärker in Richtung CO2-neutraler und neuer Technologien, die zur Marktreife noch weitere Entwicklungsschritte benötigen, zu fokussieren und bei Förderungen in klimaschädliche Technologien einen konkreten Ausstiegsplan auszuarbeiten.
Sind durch den Einbruch der Wirtschaft auch Kürzungen für österreichische und internationale Förderprogramme und -budgets zu erwarten?
Pseiner: Wir gehen nicht davon aus. Denn die durch Covid-19 ausgelöste weltweite Krise zeigt die Verletzlichkeit und mangelnde Resilienz unseres Wirtschaftssystems auf. Forschung ist der Lösungsansatz und gleichzeitig ein Konjunkturmotor. Deshalb müssen in schwierigen Zeiten Investitionen noch strategischer und exakter überlegt werden, als in den guten Jahren zuvor. Sowohl Planungssicherheit als auch ein Wachstumspfad für Forschung und Entwicklung sind dabei elementar für das heimische Innovationssystem und für die forschenden Unternehmen.
Neben Pandemien wird weltweit in Risikoanalysen nur ein Risiko einhellig noch höher bewertet: der Klimawandel. Daher ist es naheliegend, die notwendigen Konjunkturpakete nach der Coronakrise so einzusetzen, dass damit eine Transformation in eine klimaneutrale, smarte Wirtschaftsweise in Österreich und Europa eingeleitet wird. Ein wesentlicher Schlüssel ist dabei auch die Digitalisierung. Es braucht daher sehr rasch eine Forschungs- und Innovationsoffensive zur Stimulierung und Transformation der Wirtschaft in Richtung Klimaschutz und Digitalisierung. Die FFG versteht sich als logischer Partner.
Die Zeichen stehen in Österreich derzeit zumindest zum Teil auf Öffnung und ein Hochfahren der Wirtschaft. Was brauchen jetzt speziell forschende Unternehmen, um rasch wieder den Anschluss bei Projekten etc. zu finden?
Egerth: Wissenschaft, Forschung und Innovation waren schon bisher die treibende Kraft hinter jeder wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Entwicklung - das gilt auch jetzt beim "Hochfahren" der Wirtschaft. Wir stehen mit unseren Kund*innen in gutem und engmaschigem Kontakt und wissen, wo der Schuh drückt. Eine aktuelle Befragung zeigt ein ähnliches Bild wie in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09.
Pseiner: Märkte brechen zwar ein, aber die Produktivität ist in den Unternehmen weiterhin vorhanden. Sie brauchen daher Planungssicherheit hinsichtlich Ausschreibungen und Förderbudgets - nicht nur krisenspezifisch, sondern in allen Themenbereichen. Wir ermutigen unsere Kund*innen aktiv zu Forschung und Innovation, setzen mehr denn je auf die rot-weiß-rote Forschungs- und Innovationsstärke und unterstützen die Unternehmen und Forschenden umfassend.
Wenn es etwas Positives an der Coronakrise gibt, dann ist das ...
Egerth/Pseiner: ... der Zusammenhalt und der Forscher*innengeist.
Pseiner: Wir sehen einmal mehr und das ganz deutlich: Forschung wirkt. Und Forschung gibt Zuversicht. Als FFG ist es unsere Aufgabe, für Forschung zu laufen und wie Trüffelschweine qualitativ hochwertige F&E-Projekte zu erkennen und durch Projektförderung rasch den richtigen Impuls zu geben.
Egerth: Denn die direkte Forschungsförderung hat eine unerreichte Hebelwirkung für anspruchsvolle, innovative Projekte und damit für die Vitalität heimischer Unternehmen. Wie wir ganz aktuell und deutlich sehen können, ist in Forschung investiertes Geld gut investiertes Geld.
Das Interview führte Mario Wasserfaller / APA-Science
(S E R V I C E: Der Jahresbericht 2019 der FFG erscheint am 21. und 22. Mai als Beilage in mehreren österreichischen Tageszeitungen. Download auf der FFG-Webseite unter https://www.ffg.at/jahresbericht2019).