Bericht zur Online-Veranstaltung am 10.05.2021:
Wie können demokratische Prozesse partizipativer und digital gestaltet werden?
Wie kann politische Meinungsbildung und Entscheidungsfindung offen, einsehbar und nachvollziehbar gestaltet werden? Und welche Möglichkeiten eröffnet hier die Digitalisierung?
Diesen Fragen nahm sich die Arbeitsgruppe „Partizipative Entscheidungen digital fällen“ vom Netzwerk Laura Bassi 4.0 - Digitalisierung und Chancengerechtigkeit in einer Online-Veranstaltung am 10.05.2021 an. Zu Gast war Andreas Kovar von Kovar & Partner, der seine Expertise im Bereich Demokratieprojekte und der Analyse demokratischer Strukturen einbrachte.
Andreas Kovar betrachtete in seinem Vortrag demokratische Prozesse in der Politik und ging der Frage nach, wann partizipative Prozesse gut umgesetzt werden können. Seiner Erfahrung nach eignen sich Themen, die medial noch nicht groß aufgegriffen wurden, da sich vor allem dann Rahmenbedingungen wie Spielregeln und Methoden noch gestalten lassen.
In aktuellen Gesetzgebungsprozessen werden partizipative Elemente allerdings meistens erst zu einem Zeitpunkt genutzt, nachdem bereits wesentliche Schritte der Entscheidungsfindung stattgefunden haben. Durch dieses späte Einbeziehen wird die Möglichkeit der Einflussnahme durch Bürger*innen deutlich verringert. Stattdessen könnte Partizipation in allen Phasen der Gesetzgebung eingerichtet werden, z.B. über das Veröffentlichen von Vorhabensberichten, Entscheidungsgrundlagen und Prüfergebnissen, sowie durch Verhandlungen mit Vertreter*innen von Bürgerinitiativen.
Über die Digitalisierung entstehen neue Wege wie sich Bürger*innen quantitativ und qualitativ besser einbringen können. Um diese iterative Partizipation in allen Phasen zu ermöglichen, nutzt Kovar das eCommitee Tool (eComitee.com). Mit diesem Tool kann in online in Foren diskutiert, Policy-Dokumente kommentiert und damit Schwarmintelligenz genutzt, sowie diverse Perspektiven (in Teams mit 8-12 Personen) einbezogen werden. Insgesamt schließt Kovar mit der Beobachtung, dass Partizipation zwar in aller Munde ist, aber für wirkliche Einflussnahme kaum Raum gegeben wird. Als Erfolgsfaktoren bzw. limitierende Faktoren nimmt er die Folgenden wahr:
- Träger: Politik, NGO mit Zugang zu Bürger*innen, Medien, neue Player
- Politischer Wille in der Regierung
- Widerstand gegen den autoritären Trend
- Informationsgrundlage
- Offene Plattform
- Vertrauen, dass die Ergebnisse genutzt werden
- Verknüpfung mit klassischen und mit sozialen Medien
- Viele Vorreiter
Im Anschluss an den Vortrag wurde in der Arbeitsgruppe diskutiert inwieweit Digitalisierung partizipative Prozesse unterstützen kann.
In der Diskussion wurde die Corona-Pandemie einerseits durch fehlenden persönlichen Austausch als Gefahr für die Demokratie gewertet, sowie das Risiko gesehen, dass das Vertrauen in die Obrigkeit und damit Gesetzgebungsprozesse schwindet. Andererseits konnte durch den breiten Einsatz von Videotelefonie in manchen Gebieten eine stärkere virtuelle Mobilisierung erreicht werden.
Diskutiert wurde auch der Unterschied zwischen interaktiven Websites wie Twitter und Partizipationstools. Hierbei wurde die Möglichkeit von Treffen und zielgerichteten Diskussionen hervorgehoben, hinter denen im Unterschied zu Kommentarspalten bei Zeitungsartikeln ein aufbauender Prozess steht. Zusätzlich wurde spezifiziert, dass nicht einzelne Tools wie eCommitee, acceptify oder das im von der FFG geförderten Projekt VREDE gerade neu entstehende Tool die Partizipationsfrage lösen werden, sondern eine Kombination aus vielen Tools und Methoden.
Das Tool eCommitee wurde bereits für den Bundesrat im Bereich Kinder- und Jugendhilfe, sowie beim Wohnrecht eingesetzt. Hierbei wurden hilfreiche und auch überraschende Ergebnisse generiert, welche blinde Flecken offenlegten. Schließen konnte die Gruppe mit der Einsicht, dass derartige Tools ein großes Potenzial für die Partizipation in Vereinen, Unternehmen und der Politik haben.